Pol-AG  Politik und Gesellschaft - Fakten und Thesen

Start Übersicht Kontakt/Impressum

Deutschland und Frankreich


Zwei Partner oder Vasall und Herr?

Viel ist die Rede von der deutsch-französischen Partnerschaft. Achse Berlin - Paris, deutsch-französische Zusammenarbeit als Motor von Europa und Ähnliches läßt sich aus den Medien entnehmen. Über die tatsächliche Ausgestaltung dieser Partnerschaft schweigt man sich zuweilen aus.
Bei einer echten Partnerschaft, die auf Freundschaft begründet ist, geht man normalerweise von Gleichrangigkeit  und Gleichberechtigung aus. Bei unterschiedlicher Interessenlage ist man darum bemüht, zu einem Ausgleich zu kommen, der den Interessen beider Partnern gerecht wird. Gilt dies auch für das deutsch-französische Verhältnis?

Eine Frage, die in der offiziellen Politik nicht gestellt wird - warum nicht, möchte man einwerfen - viella_Non_1_1_[1]eicht weil man diese Frage bei Abwägung der Fakten mit nein beantworten muss.
Tatsächlich kann man bei aller Beteuerung der Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich und bei aller Betonung der Partnerschaft beider Nationen nicht von einer Gleichrangigkeit sprechen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die deutsche Politik in nicht wenigen Bereichen Frankreich unterwirft.
In vielen wirtschaftlichen und politischen Fragen setzt Frankreich seine Position durch und Deutschland lässt es sich gefallen: Denkt man an die Fusion der Pharmakonzerne Sanovi und Aventis, an die Beitragszahlungen für die EU, an die Auseinandersetzungen um die Stimmenverteilung in der EU.
Zwar hört man aus Frankreich gelegentlich von Überlegungen, Deutschland sogar an der Atombewaffnung Frankreichs teilhaben zu lassen. Doch sind diese Aussagen wenig konkret und wenn tatsächlich der Wille dazu bestünde, dann hätte das seit Jahrzehnten schon realisiert werden können. Da dies jedoch in keiner Weise der Fall ist, stellt sich die Frage, ob die Motivation von französischer Seite nicht darin besteht, solche Äusserungen vor dem Hintergrund einer nicht völlig auszuschließenden terroristischen Bedrohung mit Atomwaffen deshalb zu machen, um in Deutschland die Frage einer eigenen atomaren Bewaffnung erst gar nicht aufkommen zu lassen?
Symptomatisch war wohl auch wie der deutsche Bundeskanzler anläßlich der Feierlichkeiten zum
60-jährigen D-Day-Jubiläum den französischen Präsidenten umarmte - man kann sich auch bei solchen Gesten des Eindrucks kaum erwehren, dass die offizielle deutsche Politik die “Anlehnung” an Frankreich sucht.
Solange dies der Fall ist, und solange die Partnerschaft beider Länder die entsprechende Schlagseite hat, scheint man in Frankreich zufrieden zu sein - und leider auch in Deutschland.
Der frühere amerikanische Aussenminister Kissinger sprach die Sache offen an: Frankreich, so Kissinger, wolle sein Vetorecht über die deutschen Politik behalten. (Kissinger, Henry A.: Die sechs Säulen der Weltordnung. Berlin 1992, S. 47). Ob dieses Vetorecht grundgesetzkonform ist, stellt einen sehr interessanten Fragekomplex dar. Das Grundgesetz sagt, dass die Macht vom Volke ausgeht, nicht vom französischen Präsidenten. Natürlich müsste auch das Bundesverfassungsgericht bei Beurteilung dieses Komplexes die politischen Machtkonstellationen berücksichtigen, denen eine Regierung ausgesetzt sein kann, wie es früher die DDR in Bezug auf die Sowjetunion war. Aber gleichzeitig ist festzustellen, dass in Bezug auf Deutschland und Frankreich ganz andere Verhaltensregeln gelten müssten. Zwar sprach man auch damals in der DDR von der besonderen Freundschaft zur Sowjetunion, aber in Bezug auf Frankreich muss bei der Betonung der deutsch-französischen Freundschaft ein anderer Masstab gelten. Daher wäre es Pflicht, auch grundgesetzlich geforderte Pflicht jeder deutschen Regierung, kein Vetorecht Frankreichs mehr zu dulden.
Ob für dieses Ungleichgewicht Frankreich überhaupt zu kritisieren ist, sei dahin gestellt. Der Fokus muss sich auf Deutschland und die deutsche Politik richten, die sich dies gefallen lässt, dort ist anzusetzen.
Zu hinterfragen ist die Motivation der deutschen Politiker? Sind es die Nachwirkungen des Krieges, ist es Gewohnheit, ist es inoffizielle Verpflichtung und Vorgabe, ist es Angst vor Veränderung, ist es Unmündigkeit?

Im Sinne einer Wahrnehmung der eigenen nationalen Interessen ist diese deutsche Politik nicht zu begründen. Zu fragen ist auch, ob sich die Politik langfristig beibehalten läßt und ob nicht irgendwann das breite Volk dieses Ungleichgewicht durchschaut und entsprechend ablehnend reagiert und die nicht wegzudiskutierenden und durchaus erfreulichen Fortschritte im Verhältnis beider Nationen dadurch zunichte gemacht werden.

Durch eine sehr ausgeprägte Medienberichterstattung über Frankreich, die teilweise sogar Details der Geschehnisse in Frankreich widergibt, wird in Deutschland versucht, eine Besonderheit des Verhältnisses mit Frankreich zu konstruieren und der Bevölkerung nahezubringen. Sofern damit nicht manipulativ gearbeitet wird, ist wenig dagegen zu sagen.
Ein besonderes Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland lässt sich jedoch aus objektiven Faktoren nicht herleiten. Es war ein absoluter Unsinn (früher) von der französischen Erbfeindschaft zusprechen: es gab keine Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich und es sollte durchaus das Ziel einer vernünftigen Politik sein, mit allen seinen Nachbarn - soweit möglich - ein gutes Verhältnis zu pflegen.
Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich müssen in beiderseitigem Interesse gepflegt werden. Wenn jedoch die nachbarschaftlichen Beziehungen zu eng werden und nicht auf dem Prinzip eines gerechten Interessenausgleichs beruhen, dann handelt es sich eher um ein instabiles System, das potentielle Gefahren in sich birgt.
Daher wäre es für die Stabilität auf dem Kontinent besser, zu Frankreich ein zwar freundschaftliches, jedoch distanziertes Verhältnis zu haben.
Das wäre ehrlicher, dauerhafter und für alle Seiten verlässlicher.
An Konflikten zwischen Deutschland und Frankreich kann normalerweise niemand gelegen sein. Eine gesunde Distanz kann dazu beitragen, Konflikte überhaupt nicht entstehen zu lassen.


>>>