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EU-Abstimmung in Irland


Ein Nein in Irland


Irland sagt nein

Am 12. Juni 2008 stimmte Irland mit 53,4 % zu 46,6 % gegen den EU-Reformvertrag. Der einzelne Wähler in Irland hatte die Möglichkeit, selbst ja oder nein zu sagen. In Deutschland besteht die Möglichkeit nicht, in den anderen EU-Staaten auch nicht.
Interessant ist es, dass trotz einer massiven Kampagne von Regierung und großen Teilen der Opposition die Menschen nein sagten. Auch die Stellungnahmen des Papstes und der Kirche, der Gewerkschaften und der meisten Verbände konnten die Iren nicht davon abhalten, ein deutliches Votum abzugeben.
Doch die EU will den Vertrag nicht aufgeben. Auch wenn jetzt das dritte Land nein gesagt hat, die EU-Protagonisten wollen festhalten an ihrem Plan. Warum wollen sie im Namen der Demokratie nicht auf das Volk hören.
Dabei wird vorgegeben, die EU würde durch den Vertrag demokratischer werden. Wenn es um echte Demokratie geht, warum lässt man die Völker möglichst nicht abstimmen?
Auch für die Bundeskanzlerin ist das Votum eine grosse Niederlage. Sie hatte mit ungeheurem Einsatz die EU aus der Krise geführt, nachdem Holländer und Franzosen nein gesagt hatten - jedoch nur scheinbar. War die ganze Mühe von Frau Merkel umsonst?


Das Nein der Franzosen und Holländer
Nachdem das Volk in Frankreich und Holland 2005 die Verfassung gekippt hatte durch ein Mehrheits-Votum, scheint die etablierte politische Schicht in der EU diesmal die Befragung des Volkes vermeiden zu wollen. Der Grund dürfte darin liegen, dass man befürchtet, das Volk könnte wieder nein sagen.

Im Namen der Demokratie?
Es stellt sich die Frage, welche Auffassung von Demokratie herrscht hier. Können es sich Regierungen leisten in zentralen Fragen gegen den Willen ihres Volkes zu verfahren. Kann solches Verhalten langfristig gut gehen. Ist der Image - Verlust nicht höher, als der kurzfristige Gewinn.
Wenn Regierungen sich demokratisch nennen und zentrale Fragen am Volk vorbei entscheiden, so ist dies eine dramatische Entwicklung mit momentan noch nicht absehbaren Folgen. Wenn denn das Volk tatsächlich keinen Reformvertrag will, so sollte man das Volk nicht zu seinem „Glück“ zwingen. Man muss sich schon fragen, welche Staatsauffassung und Regierungsphilosophie steht hinter einem solchen Tun – vor allem vor dem Hintergrund dessen, dass sich alle diese Regierungen demokratisch nennen. Sie nennen sich demokratisch und gleichzeitig verweigern sie dem Volk die Abstimmung. Wäre es denn so schlecht, wenn man das Volk ab und zu abstimmen ließe, warum sollte das Volk denn nicht selber wissen, was es will? Welcher Grundgedanke steckt hinter der Vorstellung, dass man das Volk nicht selber entscheiden lassen will, sondern nur die Repräsentanten.


Vorbild Schweiz
Das große Vorbild ist die Schweiz. Dort darf der Bürger selbst entscheiden. Der EU-Beitritt wurde abgelehnt.
Der Schweiz hat sein Regierungssystem nicht geschadet, im Gegenteil: die Schweiz gilt weltweit als Musterland. Es bedarf offenbar keiner Bevormundung des Bürgers durch politisch etablierte Kreise für ein funktionierendes Staatswesen!

 

Kein Euro
Hätte man das Volk entscheiden lassen, hätte es in der jüngeren Vergangenheit keinen Zweiten Weltkrieg gegeben, es hätte keine Konzentrationslager gegeben. Heute würde es den Euro nicht geben, wenn man in Deutschland hätte abstimmen lassen.

 

Beteiligung in zentralen Fragen
Sicherlich gibt es auch Situationen, in welchen die breite Mehrheit einer Bevölkerung nicht unbedingt die richtige Wahl getroffen hätte. Doch das Gleiche kann man auch von den Repräsentanten sagen, welche auch nicht immer die richtige Entscheidung treffen. Doch gerade im Zeichen von Demokratie wären die Regierenden eigentlich verpflichtet, das Volk so oft wie möglich selbst entscheiden zu lassen, gerade auch in zentralen Fragen.

 

Machtpolitische Erwägungen?
Nahezu alle Gründe sprechen beim Reformvertrag für die Volksbefragung, was dagegen spricht, sind machtpolitische Erwägungen.

 

Holland und Frankreich übergangen
Normalerweise scheuen sich Diktaturen, ihr Volk zu befragen, warum scheut sich heute die Mehrzahl der EU-Staaten, das Volk zu befragen? Im Falle von Frankreich und Holland ist die Verweigerung der Abstimmung geradezu charakterlos. Wenn das Volk, von dem verfassungsrechtlich die Gewalt ausgeht, beim ersten Mal nein gesagt hat und man dann eine Alternative ausarbeitet, die der abgelehnten Version äußerst ähnlich ist, kommt dies schon einer Unverfrorenheit gleich. Wenn man dann aber noch das Volk einfach übergeht und nicht mehr befragt, ist dies eine Ungeheuerlichkeit. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es deshalb keine Abstimmung gibt, weil die Regierenden damit rechnen, wieder ein Nein zu bekommen. Doch wenn sie Demokratie ernst nehmen würden, so würden sie den Willen des Volkes, das sie gewählt hat, ernst nehmen. Woher beziehen Menschen in Regierungsverantwortung nach ihrem eigenen Selbstverständnis ihre Legitimation. Gemäß Verfassungsrecht müssten sie diese vom Volk beziehen, das sie gewählt hat. Woher nehmen sie ihre Legitimation, Entscheidungen zu treffen, von denen sie wissen oder vermuten, dass das Volk diese verwerfen würde? Was hat ein solches Szenario mit Demokratie zu tun?

 

Vorrecht für Irland
Irland durfte abstimmen. Die dortige Regierung war kraft Verfassung verpflichtet, ein Votum einzuholen. Irland hat mit nein gestimmt. Dies geschah im erweiterten Sinne auch für ca. 500 Mio. andere Bürger, denen nicht erlaubt wird, ja oder nein zu sagen? Was haben die Bürger verbrochen, dass sie so bevormundet werden. Wenn man die Bürger ernst nimmt, warum lässt man sie nicht abstimmen, wenn man sie für mündig hält, warum lässt man sie nicht entscheiden?

 

Votum ignoriert
Wie kommt es, dass die deutsche Bundeskanzlerin als EU-Ratspräsidentin sofort zu Beginn ihrer Amtszeit das Ziel ins Auge fasst, sich über das Votum zweier befreundeter Nationen hinwegzusetzen. Warum ist sie nicht bereit, den Willen dieser Staaten zu respektieren. Wer gibt einem deutschen Bundeskanzler das Recht, mit fast allen zur Verfügung stehenden Mitteln daran zu arbeiten, dass der Wille zweier Völker übergangen wird. Geschieht solches Handeln im Sinne einer Freundschaft zwischen den Völkern? Die deutsche Bundeskanzlerin erhielt für ihr Tun einen Preis, den Karlspreis. Was ist das für eine Auszeichnung? Gehen solche Ehrungen an den Völkern völlig vorbei.
Wie sehen nun die Reaktionen aus, nachdem das dritte Volk nein gesagt hat?

 

Keine Katastrophe
Das Nein der Iren ist überhaupt keine Katastrophe für die Menschen in den 27 Staaten, im Gegenteil. Der Reformvertrag ermächtigt den EU-Rat zu Beschlüssen, in welchen die nationalen Rechte, auch die der Parlamente, eingeschränkt werden. Wie kommen die EU - Experten und die Regierenden zur Auffassung, es wäre sinnvoll, den Parlamenten einen Teil ihrer Kompetenzen zu nehmen. Dabei sagen sie noch, Europa sei demokratischer geworden. Tun sie das Gegenteil dessen, was sie sagen?

 

Medien und Volk
Die Medien suggerieren in ihren Berichten, dass die Menschen deshalb mit nein gestimmt hätten, weil sie den Vertrag nicht verstanden hätten. Doch wird in den Stellungnahmen deutlich, dass die Nein-Sager sich mit der Materie auseinandergesetzt hatten. Vielleicht waren die Nein-Sager besser informiert als die Ja-Sager? Das Volk, das diese Medien mehrheitlich konsumiert und bezahlt, braucht nicht traurig zu sein über das Votum der Wähler.
Muss man sich angesichts dieser Voten und der Reaktionen vieler Regierender nicht die Frage stellen, wie weit sich das System vom Volk schon entfernt hat?
In Brüssel stellt man sich die Frage, ob man überhaupt solch einen 350 Seiten umfassenden Vertrag dem Volk zur Abstimmung vorlegen kann.
Wird hier unterschwellig suggeriert, das Volk sei zu dumm?
Wenn dem einen oder anderen Politiker das Volk als nicht angemessen erscheint, könnte er dann nicht ein anderes suchen, das seinem Geschmack eher entspricht?
Im Rahmen einer erklärten Demokratie, worin das Volk der Souverän ist, passt ein solches Unmutsgebaren, wie es vielfach geäußert, nicht. Auffallend klüger verhält sich hier der Luxemburger Jean-Claude Junker.
Es wäre zu wünschen, dass die Völker dieses Kontinents nicht mehr einer solchen Aufdringlichkeit zur Verwirklichung irgendwelcher politischen Ziele ausgesetzt sein würden, Ziele die von der Mehrheit nicht gewollt sind.

 

Das große Schweigen
Warum meldet sich von den etablierten Kreisen des gesellschaftlichen Lebens so gut wie niemand zu Wort, um diese Missstände anzuprangern. Wo sind die 68er, wo sind die kritischen Intellektuellen, wo sind die findigen Journalisten, die sonst gerne jede Kleinigkeit unter die Lupe nehmen und lautstark ihre Stimme erheben? In solch wichtigen Fragen scheinen sie ganz brav zu schweigen.
Die Menschen in Irland haben nein gesagt. Vermutlich hätten zahlreiche andere Völker auch mit nein gestimmt. Es würde d
er EU gut anstehen, diese Voten zu beachten!

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