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Pietismus

 

Der Pietismus ist eine Glaubensbewegung innerhalb des Protestantismus. Der Name wird abgeleitet vom lateinischen “pietas” (Frömmigkeit). Er trat ab ca. 1650 auf. Seine Ursprünge reichen jedoch weiter zurück und zwar bis ins 15. Jahrhundert.

Der Pietismus trat auf in den Epochen des Barock und der Aufklärung, in einer Zeit, in welcher der reformatorische Schwung im Protestantismus erlahmt war und die evangelische Kirche durch die Orthodoxie geprägt wurde. Im Rahmen der Orthodoxie wurde das Wissen über den Glauben in der Vordergrund gestellt - nicht der Herzensglaube war maßgeblich, sondern das Wissen über Lehrinhalte. Die Beichte wurde zum Wissensverhör, bei welcher der Katechismus abgefragt wurde, Glaubenserfahrungen mit Gott waren in den Hintergrund getreten.

In dieser geistlichen Umwelt konnte und musste sich der Pietismus entwickeln und er musste sich behaupten.
 

Der Pietismus als solcher ist vielschichtig, sowohl hinsichtlich der Lehrauffassungen als auch hinsichtlich seiner führenden Vertreter.

Beim Pietismus geht es um den einfachen, persönlichen, auf Überzeugung beruhenden Glauben an Jesus. Das Wort Gottes, die Bibel, gilt absolut, in vielen Fällen ist die persönliche Bekehrung und Hinwendung zu Gott die Voraussetzungen für echtes Christsein. Zum Teil besteht jedoch auch die Auffassung, einer Zugehörigkeit  zum neutestamentlichen Volk Gottes sei kraft Taufe im Rahmen der Amtskirche gegeben. Die Praxis der Glaubenslebens sollte jedoch nach pietistischem Verständnis über die vielfach praktizierte reine Konsumhaltung einer nur formalen Kirchenzugehörigkeit hinausgehen.
 

Der Pietismus beinhaltet eine große Bandbreite. Doch lässt er sich durch einige Schlagworte grob und vereinfacht skizzieren.

Solche Schlagworte, die dem Pietismus zugerechnet werden sind zum Beispiel:
Treue, Standhaftigkeit, Weltflucht, Entsagung, Quietismus, Grübeln, Versenkung, Spekulation, Mystik, Bekehrung, Wiedergeburt, Entscheidung, Gesetzlichkeit, Prüderie, Fleiß, Pünktlichkeit, Strebsamkeit, Demut, Dulden, Hinnehmen, Mission, Diakonie u.a., wobei nicht alle Schlagworte voll zutreffen und vor allem nicht für jeden Pietisten zutreffen.
 

Der Pietismus spielt in Deutschland, namentlich in Süddeutschland, speziell in Alt-Württemberg, eine bedeutende Rolle, hat jedoch Verbreitung gefunden bis in die Ukraine.
 

Wie ist der Pietismus zu werten - positiv oder negativ?
 

Die Beantwortung dieser Frage hängt naturgemäß vom Betrachter ab.
In der hier vorgenommenen Erörterung wird der Pietismus als eindeutig positiv beurteilt.

In der Kirchengeschichte verdankt man dem Pietismus sehr viel Gutes. Dass es Erscheinungen im Pietismus gab und noch gibt, die nicht gut sind, sollte nicht dazu führen, diese Bewegung abzutun oder als negativ darzustellen. Gleichwohl gibt es im Pietismus einzelne Facetten, die nicht positiv sind und die eine Gefahr darstellen.

Oberflächlich betrachtet, ist der Pietismus eine Ausprägung des evangelischen Glaubens mit konservativer Ausrichtung: man orientiert sich an der Bibel, orientiert sich auch an Althergebrachtem, zuweilen an Traditionen, auch an Vorschriften, zum Teil herrscht schon fast Gesetzlichkeit und auf der anderen Seite sind Bekehrung, Hingabe, Treue und entschiedenes Christentum Kennzeichen des Pietismus.
 

Interessant ist es, sich mit den Gründervätern des Pietismus zu befassen.

Jakob Böhme (1575 - 1624)
Ein sehr bedeutender Mann für den Pietismus ist Jakob Böhme aus Görlitz. Jakob Böhme ist eindeutig ein Vorläufer im Rahmen der pietistischen Bewegung, sein Gedankengut war prägend für nachfolgende Pietisten.
Jakob Böhme entstammte einer Bauernfamilie, konnte jedoch das Schusterhandwerk erlernen. Er ließ sich als Meister in Görlitz an der Neiße nieder, gründete eine Familie, erwarb ein Haus, war Mitglied der Handwerkerinnung, ging treu zur Kirche und lebte als braver Bürger. Das Besondere an ihm: Er machte mystische Erfahrungen, die er in 30 Büchern niederschrieb. Es entstanden Böhme-Kreise in Schlesien, England und Holland. Seine Schriften wurden sogar ins Russische übersetzt. Auch die englischen Quäker sollen von ihm beeinflusst worden sein. Er selbst war beeinflusst von der Mystik und vom Neuplatonismus. Von der offiziellen Kirche wurde er verworfen, nicht jedoch von Spener und Franke.
Im Jahr 1600 hatte er seine “Zentralschau” und zwar im Anblick eines von der Sonne angestrahlten, dunklen Zinnbechers. “Böhme hat wirklich die Grenze, die Luther innegehalten hat, eben nicht über das hinaus zu spekulieren, was die Schrift nicht aussagt, in seiner Theosophie überschritten. Über diese Grenzlinien, die für Luther unverrückbar sind, wagt sich Böhme kraft seiner Vision von 1600 hinaus in ein dunkles Gelände, das ihm Gottes Geist zu erhellen scheint” (Ericht Beyreuther, Geschichte des Pietismus, Stuttgart 1978, S. 25). Durch welchen Geist die “Erhellung” stattfand, ist eine interessante Frage. Der Heilige Geist erhellt nicht über das hinaus, was in der Bibel steht!
Jakob Böhme wurde immer tiefer in Geheimnisse hineingeführt, dabei war er verbunden mit der Theosophie. Böhme hatte die Linie Luthers in der falschen Richtung verlassen.

Nach Jakob Böhme war der Mensch ursprünglich ein androgynes Wesen. Der Mensch habe sich verpfuscht, indem er eine Gehilfin begehrte, dadurch sei er tierisch-sinnlich geworden. (Beyreuther, S. 292)
Geschlechtlichkeit wird nach seiner Lehre verfemt.
Böhme bezeichnete Christus als Braut. “Hier ist Christus auf einmal nicht mehr der Bräutigam, sondern die Braut, mit der die Seele zu spielen beginnt”. (Beyreuther, S. 292)

Böhme wurde zum Vater des radikalen, schwärmerischen Pietismus. In der Ketzerliste der damaligen Orthodoxie, d.h. bei offiziellen Stellen der Landeskirche, stand er ganz oben. Anhänger hatte Böhme unter dem schlesischen Adel und unter schlesischen Ärzten.
Böhme hat stark auf den kirchlichen Pietismus eingewirkt. So gab er Zinzendorf und Franke Impulse, während Spener ein distanziertes Verhältnis zu den Schriften Böhmes hatte.
Bei einer theosophischen Zentralschau war er einmal sieben Tage entrückt, wobei ihm nach eigener Aussage die Geheimnisse aller Dinge enthüllt worden seien. Er befasste sich mit dem apokryphen Buch der “Weisheit” und übernahm dessen Inhalt und er befasste sich zudem mit der Chemie (oder Alchemie?, der Verfasser).
Neben Böhme waren auch Öttinger und Gichtel Anhänger der Theosophie, wonach die Einheit zwischen Philosophie und biblischer Offenbarung postuliert wird.
Innerhalb der gesamtpietistischen und kirchlich gesinnten Bewegung unternahm schließlich der Württemberger Friedrich Christoph Öttinger einen neuen Anlauf, das Anliegen Jakob Böhmes in die Gedankenwelt des schwäbischen theosophisch geprägten Pietismus hineinzunehmen und mit der Allversöhnungslehre zu verbinden.” (Beyreuther, S. 33)


Johann Georg Gichtel (1638 - 1710)

Gichtel wurde wegen seiner Ansichten ins Gefängnis geworfen und er wollte sich dort erhängen. “Während einer schweren Depression sah er den Teufel als Versucher mit leiblichen Augen. Danach hatte er eine Verzückung. 1663 hatte er eine Erscheinung der himmlischen Sophia (Weisheit). Aus einer Wolke trat sie in leiblicher Gestalt auf ihn zu . Das widerfuhr ihm öfters. Solche Erscheinungen werfen viele Fragen auf und lassen an einer genuin biblischen Orientierung zweifeln.


Teerstegen (1697 - 1769)
Teerstegen wurde als siebentes Kind eines Kaufmanns in Moers geboren. Er war sehr begabt und lernte verschiedene Sprachen. Er führte einen asketischen Lebensstil als evangelischer Quietist (ein Stiller im Lande).
Er bereitete Arzneien aus Kräutern und Essenzen. Von Teerstegen stammt das Lied “Ich bete an die Macht der Liebe” - warum lautet der Text nicht von der Anbetung Jesu Christi, könnte man sich fragen. Auch im Falle Teerstegens tauchen berechtigterweise manche kritischen Fragen auf.


Johann Michael Hahn (1758 - 1819)
Hahn stammt aus Altdorf bei Böblingen. Er war ein Grübler, was zu einer Vater-Sohn Tragödie führte. Sein Vater schlug ihn, ohne dass Hahn sich wehrte. Mit zwanzig lief er von zu Hause weg. Später kam es zwischen ihm und seinem Vater zur Versöhnung. Mit 17 bekehrte er sich und mit 20 hatte er eine mystische Zentralschau, dabei gab es eine “Leviation” (er wurde mit seinem Stuhl hochgehoben).
In seiner Lehre spielt die “sophia” eine große Rolle. Hahn geht von der endlichen Rettung aller aus (Allversöhnung).
In jungen Jahren hatte er sehr mit Ängsten zu kämpfen. Er lebte ehelos und asketisch.

Einer von Hahns Anhängern gründete Korntal. 1876 entstand die Hahnsche Gemeinschaft, die bis heute existiert. Dort werden, neben der Bibel, noch heute seine Schriften gelesen.


Johann Arnd ( 1555 - 1621)

Arnd hinterließ tiefe Spuren in der religiösen Landschaft.
Er akzeptierte die katholische Mystik. Er scheute sich nicht, die “Naturmystik, ja die kabbalistischen Elemente neben Paracelsus als Bundesgenossen einzuspannen” (Bereuther, S. 35).
Auch die Predigten Taulers zog er in sein Lehrgebäude mit ein. Er schrieb vier Bücher des “Wahren Christentum”. Die Bücher fanden weite Verbreitung und wurden gelesen von Theologen, Adligen, Bürgern und Bauern. Vielfach wurden sie als tägliches Andachtsbuch verwendet, so dass Arnd zu einem besonders einflussreichen Pietisten wurde.

 

Johann Valentin Andreä (1586 - 1654)
Johann Valentin Andrea ist ein Enkel des Jakob Andreä. Sein Vater war in der Alchemie verwurzelt, ein Faktum, das ihn mit dem württembergischen Herzog verband. Durch alchemistische Versuche war er arm geworden. Nachdem er früh verstarb, sorgte der Herzog für seine Witwe und stellte sie als Hofapothekerin an.
Johann Valentin Andreä bekannte sich zu Arnd.
Er veröffentlichte ein Buch über die ideale Stadt Christianopolis. Er war beschlagen in Theologie, Mathematik, Astrologie, in der Kabbala und in der Magie (Beyreuther, S. 48). Er wirkte als Pfarrer in Calw, Vaihingen und Stuttgart, in Stuttgart als Hofprediger des Herzogs.

Bengel und Öttinger beschäftigten sich intensiv mit Valantin Andreä. Spener urteilte: ”Ich wüßte nicht, wen unter den Theologen im ersten Teil des Jahrhunderts ich ihm vorziehen sollte.”


Johann Amos Comenius (1592 - 1670)
Auch Comenius sah in Andreä seinen Lehrer. Comenius kam aus Böhmen. Er war pädagogischer Berater des englischen Parlaments und des schwedischen Kanzlers Oxenstirna. Er war ein Anhänger Böhmes, Arnds, Weigels und des Ratichius. Auch im Hinblick auf Comenius steht die Frage einer genuinen biblischen Orientierung im Raume.


Philipp Jakob Spener (1635 - 1705)

Spener wurde geboren im elsässischen Städtchen Rappoltsweiler.
Die Orthodoxie der kirchlichen Lehre entsprach nicht mehr den Bedürfnissen der Frommen, daher war das Verlangen nach etwas anderem verständlich: Hier konnte der Pietismus ansetzen.
Spener schrieb das Buch: “Pia desideria” und erreichte mit diesem eine große öffentliche Aufmerksamkeit.
In seinem Werdegang wurde er begleitet von Arnds Buch “Wahres Christentum”. Auch hatte er schon früh Kontakt mit Justus Lipsius, der den Neustoizismus wesentlich bestimmte. Die Ethik der Stoa wurde dadurch in England, Frankreich, Schweden und Deutschand zur bestimmenden Morallehre. Spener akzeptierte auch voll die Naturlehre von Hugo Grotius. Grotius bestritt die unbedingte und wörtliche Autorität des Alten Testaments. Mäßigkeit, Nüchternheit und Klugheit sind die propagierten Tugenden.
Mit Spener betonte der Pietismus die Erfahrung Gottes im Glauben als Ergänzung zur ontologischen Existenzerklärung Gottes. Persönlich näherte er sich Arnds Buch “Wahres Christentum” an. Er erhielt als Pfarrer in Straßburg den Auftrag, die Wiedergeburtslehre Großgebauers (Galater 4. 19) zu widerlegen. Großgebauer wollte sich von der Taufwiedergeburtslehre lösen und sagte, dass sich diese bewußt wie teifinnerlich vollziehe. Spener sollte diese Lehre dogmatisch widerlegen. Spener blieb tatsächlich bei der Taufwiedergeburt.

Spener hatte sich von einem Jesuiten mit der Wappenkunde vertraut machen lassen.
1664 erwarb er den Doktortitel und vermählte sich am Tag der Verleihung mit der Patriziertochter Susanne Erhard in Straßburg.
Bei Spener zeigte sich in Konturen eine quietistische Haltung, d.h. man will nicht selbst entscheiden und sein “Schicksal” in die Hand nehmen, sondern man akzeptiert es, wie es kommt oder man läßt andere über seine eigenen Angelegenheiten entscheiden.
Spener hielt Kindergottesdienste, zu denen bis zu 1.000 Kinder kamen.
Als Seelsorger erhielt er pro Jahr 1.000 Anfragen, die er zu beantworten sich bemühte, wobei die ihm vom Kaiser eingeräumte Portofreiheit zu statten kam..
In späteren Jahren begreift Spener die Wiedergeburt folgendermaßen: “Bei jedem, der sich der Zusage Gottes nicht entzieht, sondern sich dem gnädigen Ruf öffnet, vollzieht sich ein Umbruch. Gott löst ihn aus der Fremdherrschaft des altbösen Feindes. Die Wiedergeburt ist vollkommen, unabzweifelbar. Doch kann sie weder denkerisch noch psychologisch noch faktisch von der ‘Erneuerung’ getrennt werden. Beides liegt ineinander. Die Erneuerung ist unvollkommen, täglich neu zu erarbeiten, doch keine hoffnungslose Angelegenheit durch dem Menschen geschenkte neue Kräfte’. ‘Alles wäre aber eine Schinderei, wenn es nicht die Kraft der Auferstehung Christi gäbe’ ”.
“Die innere Geburt soll ein bestimmtes Ereignis festhalten, ohne es im einzelnen mit einem bestimmten Datum und nicht im Gegensatz zum Taufgeschenk, zu behaften. Mit der Wiedergeburt soll die Aktivität Gottes apostrophiert werden. Er ist es, der den passiven, zufolge seiner Sündhaftigkeit hierzu untüchtigen Menschen von seiner Ferne zu ihm, loslöste, ihn umwendet (Buße) und damit zum neuen Menschen macht. Dieses Ergebnis steht Spener vor Augen und dabei nicht im Gegensatz zum objektiven Vorgang der Taufe”. (Bayreuther, S. 85).
Spener bewahrte die Anbindung des Pietismus an die Kirche und die Ausrichtung auf Luther.
Ab 1669 bildeten sich Auferbauungszirkel um Spener.

Spener suchte Verständigung mit den Juden und sagte, dass die Christen das größte Hindernis für die Bekehrung der Juden seien.
Langsam entwickelte sich die Vorstellung von der Wichtigkeit der Heidenmission.
Spener wirkte entwaffnend auf die Separatisten, die eine eigene, freie Kirche gründen wollten, indem er demonstrierte, dass die Kirche aktiv ist.
Er propagierte das allgemeine Priestertum der Gläubigen sowie die Forderung, dass selbstständiges, reichliches Bibelstudium von Nöten sei.
Er distanzierte sich von den Separatisten und Schwärmern, die der Auffassung waren, dass “die institutionalisierte Kirche erlebnishemmend wirke und diese wandten sich gegen die  Verdächtigung der Weissagungen und inneren Gesichte.”
Spener predigte vor Tausenden von Zuhörern, vor allem in Berlin.
Spener war von der biblischen Wiedergeburtslehre vermutlich nicht weit entfernt. Er gab wertvolle Impulse für das geistliche Leben in Deutschland. Gleichwohl spielen die Schriften Arnds eine bedeutende Rolle. Bei letzterem muss von einem weniger guten Einfluss ausgegangen werden, von welchem Spener sich ungenügend distanzierte. Jedoch war er weit weniger als andere Pietisten der Mystik verhaftet, lehnte jedoch wohl die biblischen (echten) Weissagungen auch ab.


August Hermann Franke

August Hermann Franke war der Begründer des sogenannten Halleschen Pietismus. Franke wurde 1663 in Lübeck, einer Stadt mit damals 35.000 Einwohnern, geboren. Noch zur Zeit seines Vaters wurden im evangelischen Lübeck fünf Hexen nach schauerlichen Folterungen verbrannt.
In Lübeck duldete man keine Pietisten, so dass Franke in seinem späteren Leben wenig mit Lübeck zu tun hatte.

Mit 14 Jahren wurde Franke, da begabt und gebildet, für universitätsreif erklärt. Seine Lieblingslektüre war Arnds “Wahres Christentum”, wodurch er in die mittelalterliche Mystik eingeführt wurde. Meditation, Versenkung, Gebetsleben, Eifer, Inbrunst, Verzichtsbereitschaft, Glaube und Opfer gehören hier zusammen (Beyrether, S. 128).
Später beschäftigte er sich mit der quietistischen Mystik Molinos, übernahm dieses Gedankengut jedoch nicht zur Gänze. Er übersetzte, vermutlich auf Anregung Speners, Molinos “Geistlicher Seelenführer”.
Im Jahre 1686 befand sich Franke in einer Krise und zweifelte an der Existenz Gottes. In einer schlaflosen Nacht geschah dann der Durchbruch, indem ihm offenbart wurde, dass Gott lebt und sein Vater ist.
Später schrieb Franke ausführlich von seiner Bekehrung als dem Angelpunkt seines Lebens. “Das Schema ist vier- bzw. fünffach gestaffelt: eine ernsthafte Kindheit, eine sündige Jugend, schließlich Kampf und Versuch eine angebliche Rechtschaffenheit zu legalisieren, um als Schlußpunkt die Illumination, die Bekehrung zu erfahren”. (Beyreuter, s. 135). Danach folgte in seiner Lehre der Ruf zur Entscheidung. Das Bekehrungserlebnis Frankes wurde vorbildlich für den Pietismus und seine Lehre.
Franke musste Halle und Erfurt verlassen, da seine Lehre dort nicht geduldet wurde. Er ging nach Hamburg an die Michaels-Kirche und predigte vor 4.000 Zuhörern. Später kehrte er nach Halle zurück.
Er begann eine Kinderarbeit aufzubauen, zuerst in Hamburg.
In Leipzig predigte er vor 300 Studenten und löste eine Erweckung aus: “viehisches Saufen, Balgen, Raufen, Prellen der Bürger, Dirnenverkehr durch alle Fakultäten hindurch” hörte damit auf. (Beyreuther S. 141)
Danach traten kirchenpolizeiliche Maßnahmen gegen Franke ein, was ihm schwer zusetzte. Es bildeten sich starre Fronten: Einerseits Orthodoxie, andererseits Pietismus.

Franke gründete eine vorbildliche Schulstadt, ohne staatliche Unterstützung.
Er entdeckte die Pflicht der Christen zur Mission, woraufhin die Mission in Indien entstand. Gleichzeitig erkannte er, dass aufgrund der Lauheit der Christen im eigenen Land Mission notwendig war.
Der Hallesche Pietismus Frankes hatte als wesentliche Lehrbestandteile: Bekehrung, Wiedergeburt, Erneuerung, Heiligung, Verlangen nach Vollkommenheit.

Franke hatte die Bibel in den Mittelpunkt gerückt.


Gottfried Arnold (1666 - 1714)
Gottfried Arnold wird zum schwärmerischen Pietismus gerechnet. Arnold übersetzte die “Pilgerreise” von Bunyan.
Er selbst schrieb das Buch “Das Geheimnis der göttlichen Sophia oder Weisheit beschrieben und besungen von Gottfried Arnold”.
Ob man bei Arnold von einer Bekehrung sprechen kann, ist nicht eindeutig auszumachen (Beyreuther, S. 317)
Er übersetzt die Mystiker, u.a.: Tauler, Thomas a Kempis, Angelus Silesius, Mme. Guyon.

 

Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700 - 1760)
Zinzendorf ist einer der bedeutendsten Gründerväter des Pietismus. Er gründete Herrnhut und gab der Weltmission starke Impulse. Bis zu seinem Tod waren 226 Missionare ordiniert und in alle Welt hinausgesandt, darunter auch zu den Negersklaven in Amerika.
Er war verheiratet mit Erdmuthe Dorothea, Gräfin von Reuß-Ebersdorf.
Zinzendorf war in seinem Glauben und durch sein Lebenswerk bahnbrechend.
Dabei hatte er zeitweise starke Anfechtungen und Phasen des Zweifelns, die in mehrjährigem Abstand auftraten.
Er hatte die Freiheit, mit Karten zu spielen, ebenso Schach, er ging zur Jagd und er tanzte, letzteres ohne Damen.

Er initiierte eine Übersetzung von Arnds “Wahres Christentum” ins Französische.

Er scheute nicht davor zurück, die Unsitten am sächsischen Hof zu kritisieren, teilweise mit anonymen Flugblättern.

Im Jahre 1727 entstand die Brüdergemeinde (Brüdergemeine) in Herrenhut.
Durch das Wirken von Zinzendorf, durch seine Lehre, wurde innerhalb des Pietismus gegen die Flucht in die eigene Seele Stellung bezogen und auch das Abgleiten in die Mystik wurde verhindert. Dies ist ein besonderes Verdienst von Zinzendorf.
Gleichwohl war Zinzendorf anfangs auch mystischem Gedankengut verhaftet, jedoch wich er nie von der Halleschen Entscheidungslehre.
Er nahm folgende Einteilung vor: Menschen, die innerlich noch tot waren, Erweckte im Bußkampf und Bekehrte mit Durchbruch.
Im Laufe der Zeit wurde er gegenüber der Mystik zunehmend kritischer und spaltete den mystischen Heilsweg schließlich völlig ab.
“So sehr ihn der mystische Aufstieg der Seele zu Gott  als Frömmigkeitsimpuls fesselt, so leidenschaftlich lehnt er einen Prozeß der stufenweisen Vervollkommnung, die sich im Jenseitigen vollendet, ab.” (Beyreuther, S. 219)
Vorher hatte es Einblendungen mystisch-spiritualistischen Gedankenguts bei ihm gegeben.
Zinzendorf hielt jedoch im Allgemeinen leider an der Säuglingstaufe fest und übernahm insofern einen Teil der Taufwiedergeburtslehre von Spener und Franke. Ein Exodus aus der eigenen Kirche war für Zinzendorf dann berechtigt, wenn dort nur noch “faules Holz sei”.

Die Brüdergemeinde in Herrnhut war in ihrer Organisation stark strukturiert und zwar in sogenannte Chorgemeinschaften: Männer, Frauen, Verheiratete, Verwitwete u.a., die miteinander lebten, sangen, beteten und feierten. Hier hatte Zinzendorf für die christlichen Kirchen ein funktionierendes Modell geschaffen, das der Organisationsstruktur der Volkskirche, die die Menge ihrer Kirchenglieder nur als eine homogene Masse sah, weit überlegen war.
In Herrnhut organisierte sich die Kirche nach den Bedürfnissen der Mitglieder, in der Volkskirche gab es im wesentlichen eben das eine Angebot in Form eines Sonntagsgottesdienstes. Diese unterschiedlichen Grundprinzipien und Organisationsstrukturen sind bis heute noch wesentlicher Faktor für den Erfolg oder vielleicht mangelnden Erfolg einer Kirchengemeinde.
Zinzendorf wollte keine eigenständige Herrnhuter Kirche, er stemmte sich sogar dagegen, eine zu gründen, fand sich aber schließlich mit der Gründung ab. Somit entstand vielleicht die erste oder eine der ersten Freikirchen Deutschlands.

Zinzendorf wollte gegen die aufklärerischen Gedanken seiner Zeit einen Wall aufrichten. Beispielsweise gründete er an Universitäten Studentengruppen, die teilweise auch verboten wurden.

Durch die Herrnhuter Brüdergemeinde kam es in Lettland und Estland zu Erweckungen, die Hunderttausende erfasst hatte mit dem Ergebnis, dass tief in die Gesellschaft eingewurzelte Volkssünden wie Unzucht, Trunksucht, Streitsucht und Unehrlichkeit weitgehend zurückgedrängt wurden.
Doch gab es wachsenden amtskirchlichen Widerstand.

Schließlich gelang es Zinzendorf, das völlige Vertrauen des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I ( 1688 -1740) zu gewinnen, welcher ihn in seinen Vorhaben unterstützte. Dies änderte sich auch nicht bei dessen Nachfolger Friedrich dem Großen.

Zinzendorf hatte Kontakt mit Wesley, war mit diesem jedoch in einem Punkt nicht einig, und zwar in der Frage nach einer letzten, sündlosen Stufe der Vollkommenheit, zu der ein Christ gelangen könne. Zinzendorf lehnte diesen Gedanken ab.

Zinzendorf starb mit den Worten:  “ich bin in den Willen meines Herrn ganz ergeben, und er ist mit mir ganz zufrieden.”
Man nannte Zinzendorf den “Fürst Gottes”.

 

Ab 1750 verlor der Pietismus immens an Bedeutung. An den Universitäten war die Entwicklung so, dass die Studenten sich von den pietistischen Professoren abwandten und sich den aufklärerischen zuwandten.

Das Schwergewicht verlagerte sich weg von Deutschland nach Amerika (Pennsylvanien) und Rußland.

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