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Obamania?

Obama ante portas?

 

Obama vor den Toren. In Berlin trat er während seines Wahlkampfs 2008 auf und hatte einen grossen Erfolg zu verzeichnen als 200.000 seiner Rede, gehalten in Englisch ohne Übersetzung, zuhörten. Warum sprach a_Obama_ante_Portas_2_w2_1_[1]Obama nur auf Englisch und warum lassen sich das 200.000 ohne Protest gefallen? Hätte er das in Rom oder Paris genauso gemacht? In Berlin zog Obama die Massen an.
Steht Obama  vor den Toren des Weißen Hauses, ist er im Begriff Präsident des  mächtigsten Staates der Welt zu werden? “Hannibal ante portas” war der schreckerfüllte Ruf der Römer, als sie befürchten mussten, Hannibal  würde Rom erobern. Dazu war es jedoch schlussendlich nicht gekommen.
Im Nov. 2008 fällt die Entscheidung wer als Präsident ins Weiße Haus einzieht. Es dürfte ein spannendes Rennen werden zwischen dem Demokraten Obama und dem Republikaner McCain.

Obama steht für das neue, junge, progressive Amerika, McCain für das alte, bewährte, traditionelle, fast schon abgewirtschaftet erscheinende. In Deutschland sind die Sympathien ungleich verteilt: Fast 80 % würden Obama bevorzugen.
Obama konnte bisher die Massen begeistern. Er hat Charisma, er kann reden und zeigt Visionen auf. Millionen in Deutschland hoffen auf ihn, insbesondere solche vom linken und halblinken Spektrum. Er redet viel und gut, doch sagt er auch viel und Gutes?

Zweifel an Obama sind durchaus angebracht: Seine Freunde sind nicht vertrauenerweckend und zwar vom Pastor bis zum Grundstücksmakler, von der Professorin bis zum Obamagirl.

Seine Botschaften sind neu, anders, provokativ, sie kommen an. Er sagt: “yes” und nicht “no”, er sagt: “we believe” und nicht “we criticize”, er sagt: “we can” und nicht “we have problems”, er sagt: “thank you for your prayers” und nicht “I can‘t believe”. (Deutsch: ja statt nein - wir glauben, statt wir lamentieren - wir schaffen es, statt wir haben Probleme - danke für eure Gebete, statt ich bin nicht besonders religiös.)
Er sagt: “Thank you Berlin. God bless you”. Danke Berlin. Gott segne euch.

Er scheint in Deutschland einen Nimbus zu genießen wie seinerzeit Kennedy. Ob die Sympathie ua_Obama_ante_Portas_w1_1_[1]nd der Jubel, welcher Obama entgegengebracht werden Rückschlüsse auf die Qualität eines potenziellen Präsidenten zulassen, darf hinterfragt werden.

Das Phänomen Jubel lässt sich durchaus differenziert beurteilen. Jubel kann - muss aber nicht - Ausdruck einer angemessenen und realistischen Einschätzung sein. Die historische Erfahrung allerdings lässt bei einer kritischen Beurteilung des Phänomens Jubel die Frage aufkommen, ob dieser Jubel nicht in vielen Fällen im umgekehrten Verhältnis zur Effektivität steht.

Kriege wurden bejubelt. Despoten und Tyrannen wurden bejubelt.
Im Fussball werden Spieler-Millionäre bejubelt, oftmals von Sozialhilfeempfängern, die für Tickets viel von ihrem wenigen Geld ausgeben. In der Musikszene gilt Ähnliches.
Bejubelt wurden Firmenfusionen, noch keine so sehr wie die zwischen Daimler und Chrysler. Auch hier stand der Effekt im umgekehrten Verhältnis zum Jubel.

Weniger bejubelt wurde in Berlin Präsident Reagan, als er seinerzeit vom Niederreißen der Mauer sprach, das Vernünftigste und Beste, was je ein amerikanischer Präsident in Berlin von sich gab.
Bei vielen Deutschen kam diese Botschaft damals nicht an, viele verstanden sie nicht, es war wie etwas aus einer anderen Welt. Warum sollte man denn die Mauer einreißen? Auch viele deutsche Politiker waren ob einer solchen Idee eher peinlich berührt, man wähnte schon Gefahr für den Frieden.

Wenn jetzt Obama bejubelt wird, gilt dann das – nicht eherne – Gesetz einer umgekehrten Proportionalität von Jubel und Effekt, von Jubel und Ergebnis, von Jubel und Realität?

Will die Welt verführt sein, will sie getäuscht werden, will sie hinters Licht geführt werden?
Besonders linkslastige, friedensbewegte und klimaveränderungsbefürchtende Aussagen finden eine unglaubliche Resonanz in Deutschland.

Obama in Berlin – Fortsetzung der Berliner Jubelserenade, welche in der jüngeren Geschichte mit Wilhelm II. begonnen hatte?

Nachdem Obama wieder in die USA zurückgekehrt war, meinte Tucker Bounds, der Sprecher von McCain, Obama habe kriecherische Deutsche getroffen.

In Kommentaren war die Rede von “unterwürfigen, kriecherischen” (fawning and submissive) Deutschen.

So fraglich diese Aussagen hinsichtlich eines angemessenen, höflichen, diplomatischen Umgangs sein mögen, so  interessant sind sie andererseits. Welchem Volk würde man heute die Eigenschaft „unterwürfig“ und “kriecherisch” attestieren. Trefflicher Weise dem deutschen. Was hier gesagt wurde, hat einen realen Bezug. Sind die Deutschen nicht mehr kriegerisch, sondern kriecherisch? Ist Deutschland heute unterwürfig, dem Ausländischen, Internationalen gegenüber? Früher war man unterwürfig gegenüber den  chauvinistischen Verführern, als da waren Wilhelm II. und Hitler, als die besonders exponierten. Hat dies heute eine andere Schlagseite bekommen im Hinblick auf Personen, Staaten, Institutionen, Gruppierungen? Ist Deutschland gegenüber Obama unterwürfig, gegenüber Frankreich, gegenüber der EU, gegenüber der UNO, gegenüber Sonstigen?
Man kann Ausländischem durchaus Gutes abgewinnen, ebenso dem Internationalen, aber muss man  unterwürfig und kriecherisch sein?

In wie fern hier die Umerziehung der Nachkriegszeit eine Rolle spielt, ist quantitativ schwer auszumachen, jedoch sicherlich nicht zu leugnen. Ausländische Kommentatoren sprechen sogar von sechs Jahrzehnten Umerziehung. Das nach 1945 empfundene “nur nicht wieder wie einst” steckt sehr tief, und kommt in der zweiten und dritten Generation sogar noch mehr zum Ausdruck wie in der ersten. Hat dies zu einer extremen Haltung geführt, die teilweise ans Lächerliche grenzt. Ausgewogenheit ist eine schwierige Sache, doch eine sehr wohl anzustrebende. Davon scheint man in Deutschland noch weit entfernt zu sein.

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