Kunduz
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Kaum im Amt, musste Bundesarbeitsminister Jung den Hut nehmen. Doch war es nicht sein neues Ressort, das ihn der Kanzlerin als untragbar erscheinen ließ, sondern sein bisheriges, das Verteidigungsministerium. Durch die Informationspolitik nach dem Luftschlag in Kunduz war ein Problem entstanden, das Frau Merkel mit dem Rücktritt des damals verantwortlichen Ministers lösen wollte. Jung, so wird wohl zurecht behauptet, hatte wesentliche Informationen, die darauf hindeuteten, dass bei dem Luftschlag auch Zivilisten umgekommen waren, zurückgehalten. Dies war unangemessen und falsch. Vielleicht war Jung hier ein Opfer nachkriegsdeutscher Exklusivität - es ist etwas passiert, was nicht hätte passieren “dürfen”. Über jedem für bzw. in einem Krieg verantwortlichen Deutschen hängt wohl eine Art Damoklesschwert, das den Bedrohten, in diesem Fall Jung, zu unangemessenen Handlungen veranlasst. Das war wohl der Hauptfehler von Jung, der auf derselben Ebene liegt, wie seine ständige Behauptung, es sei kein Krieg in Afghanistan. Hier war er eben nachkriegskonform in seinem Denken, er musste beschönigen und verniedlichen, was ihm schlussendlich zum Verhängnis wurde.
Die meisten, die den Afghanistan-Krieg thematisieren, scheinen von Krieg, von Afghanistan und vom Afghanistan-Krieg wenig Ahnung zu haben. Vielleicht leben einige in einem deutschen Nachkriegswahn, wonach man meint, man könne im internationalen Konzert mitspielen indem man auf der halben Welt Truppen stationiert, aber diese deutschen Truppen dann immer nur als Entwicklungshelfer, Brunnenbohrer und Austeiler von Nettigkeiten auftreten. Solche Auffassungen sind schlicht weltfremd.
Die Leute, die vor Ort sind, haben als Deutsche ein doppeltes Problem: Lassen sie sich selbst erschießen, werden sie kritisiert, erschießen sie andere werden sie auch kritisiert. Was sollen sie denn machen?
Diejenigen, die sie kritisieren, haben wohl keine Ahnung von der Problematik und Anspannung in der sich jemand befindet, der im Krieg ist, der brutalen, raffinierten Terroristen gegenübersteht. Der Oberst, der den Luftschlag anforderte, befand sich in dem Dilemma, entweder nichts zu tun, und damit die eigenen Soldaten zu gefährden, zumal die Tanklastzüge nur wenige Kilometer vom deutschen Standort entfernt waren und als fahrende Bomben ein Risiko darstellten oder etwas tun und dann auch einen Fehler zu machen. Wie es scheint, hatte der Oberst nicht perfekt auf die Herausforderung reagiert, doch ergibt sich diese Beurteilung eben erst im Nachhinein. Es ist nicht nur Ignoranz, sondern grenzt an Unverschämtheit, hier mit dem Strafrecht zu drohen.
Die Soldaten müssen doch nicht der deutschen Politik oder der deutschen Gesellschaft gegenüber dankbar sein, dass sie in Afghanistan sein dürfen - im Gegenteil. Keiner (oder fast keiner) der Soldaten ist gerne in Afghanistan. Es ist genau umgekehrt, die Politik muss den Soldaten dankbar sein, dass sie bereit sind nach Afghanistan zu gehen, um damit die internationalen Ambitionen der deutschen Politik zu stützen und den internationalen Anforderungen gerecht zu werden. Die Dinge werden hier wohl von manchem auf den Kopf gestellt.
Es stellt sich die Frage, ob überhaupt noch jemand einen solchen Einsatz erbringt, wenn er auf diese Weise behandelt, sogar fast verraten wird. Tatsächlich stellen solche Unsinnigkeiten eine deutsche Besonderheit dar , die aber niemand nützt, außer vielleicht manchen Leuten, welche die reale Welt nicht begriffen haben und in Illusionen schwelgen wollen.
Die vielfach geäußerte Kritik konzentriert sich auf die wohl nicht zu leugnende Tatsache, dass auch Zivilisten zu Tode gekommen sind. Intendiert war bei dem Angriff jedoch nicht die Gefährdung von Zivilisten. Das ist der entscheidende Punkt, der die Beteiligten entlastet, obgleich es tragisch ist, dass vermutlich auch Zivilisten geschädigt wurden und sogar zu Tode kamen. Doch ist es per se auch kein Erfolg, wenn Taliban umkommen, mancher wird wohl nur gezwungenermaßen bei den Terroristen mitmachen. Aber in Afghanistan herrscht Krieg. Dass in einem solchen Krieg auch Zivilisten umkommen können - so bedauerlich das ist - davon hätte man schon ausgehen können, als man sich entschloss, nach Afghanistan zu gehen.
Der neue Verteidigungsminister hat den Generalinspekteur und einen Staatssekretär entlassen. Man kann (aus der Distanz) wohl zu kaum einem anderen Schluss kommen, als dass dies Bauernopfer waren. Wenn es eine falsche Informationspolitik gegeben hatte, dann hatte diese Jung zu verantworten. Warum hat der neue Verteidigungsminister v. Guttenberg die beiden entlassen? Wohl um der allgemeinen Kritik Rechnung zu tragen, vielleicht auch in der Annahme, sollte er nichts tun, diese Kritik sich dann an ihm festmachen könnte. Stärke hat er mit diesem Handeln nicht gezeigt. Genauso wenig wie damit, dass er nach anfänglich geäußertem Verständnis für den Luftschlag, begonnen hat, sich vorsichtig zu distanzieren. Wer kann sich auf solch eine Positionierung stützen?
Interessant ist die Tatsache, dass BILD das Ganze ins Rollen brachte. Wie groß ist der Einfluss des Springer-Konzerns in Deutschland?
Die deutsche Politik zeigt Unkenntnis und Schwäche. Welcher Bürger wird noch bereit sein, sich einzusetzen für die Angelegenheiten dieses Staates, wenn er im Stich gelassen wird. Wird so mancher Bürger dadurch veranlasst, diesem Staat, dieser freiheitlich - demokratischen Grundordnung den Rücken zuzukehren? Auf wen und auf was will sich dann diese Politik stützen und auf wen wollen sich ihre Repräsentanten verlassen?
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