Ist es rational, an Gott zu glauben?
Religion hat im 20. Jahrhundert weltweit eine große Renaissance erlebt, welche sich im 21. Jahrhundert fortzusetzen scheint. Dies betrifft im Prinzip alle großen Religionen, die christliche und die nicht-christlichen. Das Christentum erlebte insbesondere in traditionell wenig christlichen Regionen einen Aufschwung, während in der alten Welt eher die Säkularisierung voranschritt und der christliche Glaube in seiner Breitenwirkung Boden verlor. Die Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung lässt sich nicht monokausal beantworten, wobei unbestritten ein wesentlicher ursächlicher Faktor die Durchdringung der abendländischen Gesellschaft mit dem philosophischen Gedankengut der Aufklärung darstellt.
Die Aufklärung hat in der abendländischen, christlich geprägten Gesellschaft die über Jahrhunderte währende Dominanz der Religion beendet. Die christliche Religion wurde historisiert und damit relativiert. Das Übernatürliche der Bibel sollte eliminiert werden und nur noch die moralische Komponente der Religion als Basis des kulturellen Lebens fand Anerkennung. Eine solche Denkweise war einschneidend, da das Wesen der Religion sich eben gerade im Übernatürlichen begründet. Der Mensch sucht die Transzendenz, diese macht für ihn Religion attraktiv, wird die Religion ihrer Transzendenz beraubt, welchen Nutzen stiftet sie noch? Geht es nur um Vernunfttheorien, so braucht man keine Religion, denn diese kann man auch in der Wissenschaft haben. Religion wurde durch die Aufklärung dekonstruiert und seiner Besonderheit beraubt. Religion stand somit nicht mehr im Mittelpunkt des Lebens, vor allem nicht des gesellschaftlichen Lebens, sondern war Randerscheinung geworden, welche für die gesellschaftliche Entwicklung keine Rolle spielen sollte. Religion sei nur noch reine Privatsache, wobei jeder nach seiner Fasson selig werden können sollte. Dabei vollzog sich diese Entwicklung prozesshaft und erfasste zunächst primär die etablierten Kreise der Gesellschaft um nach und nach Breitenwirkung zu bekommen, ohne allerdings die gesamte Gesellschaft vollständig durchdringen zu können. In diesem Prozess änderte sich das (christliche) Weltbild mit dem handelnden Gott hin zur deistischen Auffassung von einem abwesenden, fernen Gottes („droben muss ein Vater wohnen“), zum toten Gott (Nietzsche) bzw. zum nie existiert habenden Gott (Atheismus), um dann als derzeit letzte Phase dieser Entwicklung Ansätze einer antichristlichen Ausprägung zu bekommen, die in Randbereichen diverse Formen von Satanismus zeigt.
In der Weltanschauung des aufgeklärten, westlichen Menschen, steht der Mensch als vernünftiges Wesen im Mittelpunkt des Geschehens. Dieser Mensch bewegt sich nicht in einem durch Schöpfungsakt gewollten und geschaffenen Kosmos, sondern seine Basis ist zufällig entstanden. Die Vernunft ist der leitende Antrieb, nicht die Offenbarung Gottes. Insofern braucht der Mensch Gott nicht, er ist sein eigener Gott – so das Credo des aufgeklärten Menschen.
In der westlichen Welt haben viele diese Sicht als ihre Weltanschauung übernommen, wobei sich die Frage stellt ob dieses aufklärerische Weltbild mehr Lebensqualität bietet als das christliche.
Der Mensch ist mit Leben und Sterben konfrontiert und braucht insofern einen Grund, zu leben und zu sterben. Geht eine Weltanschauung davon aus, dass nach dem Tod alles aus ist, bietet sie keinen Grund zum Sterben. Der Tod ist demnach sinnlos, kontraproduktiv und zerstörerisch für den Menschen, gleichwohl mächtig. Entrinnen kann der einzelne Mensch diesem Geschehen der Endlichkeit letztlich nicht und der Tod wird zum ultimativen Ereignis, zur ultimativen Katastrophe. Rational ist es, zu versuchen, die eigene Existenz komfortabel und mit umfassender Lebensqualität zu gestalten. Es erhebt sich die Frage, ob sich der Mensch mit oder ohne Religion mehr Lebensqualität sichert. Tut er dies in rationaler Weise unter Einbezug Gottes oder unter Ausschließung Gottes? Wie kann der Mensch seinen Nutzen aus dem Leben optimieren? Fakt ist, dass er bei Einbeziehung Gottes eine Option mehr hat und zwar eine Option, welche ihm die Möglichkeit bietet, die Endlichkeit seiner Existenz zu überwinden. Insofern kann man rational zum Ergebnis kommen, dass sich der Mensch mehr Lebensqualität schafft unter Einbeziehung Gottes als ohne, denn dadurch kann die ultimative Katastrophe am Ende des Lebens überwunden werden durch die Perspektive auf eine jenseitige, nicht endende Existenz.
Nun stellt sich die Frage, gibt es diese Dimension eines ewigen jenseitigen Lebens tatsächlich oder ist dies nur eine religiöse Fiktion. Die Weiterexistenz kann „wissenschaftlich“ nicht bewiesen werden, aber auch den Gegenbeweis gibt es nicht. Auch bei Außerachtlassung der Bibel und persönlicher Glaubensüberzeugungen kann man anhand von Erfahrungsberichten in Grenzsituationen und auf Basis menschlichen Empfindens, Ahnens und Wähnens zur Auffassung kommen, dass Vieles für eine Fortsetzung der menschlichen Existenz spricht.
Der einzelne Mensch, insbesondere der rational denkende steht nun vor der Frage, welche Weltanschauung er sich zulegen soll – die mit Gott oder die ohne Gott, die mit einer Fortexistenz oder die ohne Fortexistenz.
Unter rationalen Aspekten spricht fast alles dafür, sich die Weltanschauung mit Gott zuzulegen, denn sie bietet eine Option mehr in Form einer Fortexistenz. Allerdings mag bei manchem diese Fortexistenz unter rationalen Gesichtspunkten nicht gesichert erscheinen. Soll man sich dann rationaler Weise trotzdem für diese Weltanschauung entscheiden oder nicht?
Wenn die Alternative darin besteht, etwas Erstrebtes zu bekommen oder es nicht zu bekommen, gibt es nur eine sinnvolle Wahl und zwar die des verlustlosen Erweiterns der Perspektive - denn auch im Falle, dass dieses Erstrebte gar nicht existieren sollte und der Glaubende leer ausgehen würde, hätte er sich nicht schlechter gestellt, als wenn er diese Möglichkeit ausgeschlagen hätte. Der Verzicht auf diese Option hätte ihn aber im Falle der Existenz eines jenseitigen Lebens dieser sinnvollen Option beraubt.
Die Lebensqualität erhöht sich folglich durch das Einbeziehen der religiösen Komponente. Im profanen Leben werden diverse Versicherungen abgeschlossen unter dem Aspekt Vorsorge treffen zu wollen für ein eventuell eintretendes Ereignis. Das Treffen einer solchen Vorsorge geschieht zur Erhöhung der Lebensqualität. Auch religiöse Vorsorge kann Lebensqualität erhöhen und zwar insofern, als man sozusagen ein Spiel gestaltet, bei dem es nur Gewinner und keine Verlierer gibt: Gibt es das ewige Leben nicht, hat man trotzdem nichts verloren, gibt es dieses aber, hat man nur gewonnen und nichts verloren – eine ausschließliche Gewinnsituation. Insofern ist es auch in einer rational geprägten Welt nicht adäquat, auf den religiösen Aspekt der Lebensgestaltung in Form des Glaubens an Gott zu verzichten.
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