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Krieg im Kaukasus

 

Am Freitag, 8.8.2008, am Eröffnungstag der Olympischen Spiele in Peking, begann Georgien die militärische Invasion in die abtrünnige Provinz Süd-Ossetien und besetzte die Distrikt-Hauptstadt Tschinwali. Der Gegenschlag der Russen ließ nicht auf sich warten. Die Russen warfen massiv Soldaten und Panzer ins Geschehen und vertrieben die Georgier innerhalb eines Tages. Damit nicht genug, scheint Russland die Gelegenheit zu nutzen, auch in der anderen abtrünnigen Provinz, Abchasien, klare Verhältnisse herzustellen, nämlich schlussendlich die Loslösung von Georgien und die Angliederung an Russland. Interessanterweise zeigt sich ein Trend dafür, dass Minderheiten eigene Staaten bekommen können. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass es sich dabei vornehmlich um moslemische Minderheiten in mehrheitlich christlichen Staaten handelt: Kosovo, Süd-Ossetien und Abchasien.

Ob sich Russland mit seiner Politik langfristig einen Gefallen tut, sei dahingestellt. Denn es ist anzunehmen, dass weder die Osseten noch die Abchasier in einen russischen Staat integriert werden wollen, sondern die Unabhängigkeit anstreben. Die Erfahrungen der Russen mit den Tschetschenen sprechen für sich.

Der vom georgischen Präsidenten Saakaschwili vom Zaun gebrochene Konflikt scheint hierzu die Gelegenheit zu geben. Über die Motive Saakaschwilis herrscht Unklarheit, vermutlich war es eine kolossale Fehlkalkulation. Beim Peloponnesischen Krieg wird bis heute gerätselt ob eine Frau mit hineinspielte oder ob nur die Macht des Faktischen, wie Thukydides erklärt, nämlich der Aufstieg Athens zum Missfallen Spartas, der ausschlaggebende Grund war. Im Falle dieses Konfliktes in der Kaukasusregion mögen diverse Gründe vorliegen, klar ist jedoch der Gegensatz zwischen Georgien und Russland sowie der zwischen USA und Russland. Davon auszugehen, dass die rasche Schaffung neuer Tatsachen, wie die Besetzung der Stadt Tschinwali von den Russen akzeptiert würde, dokumentiert eine große politische Fehlkalkulation. Im Gegenteil, die Russen haben wahrscheinlich nur auf diese Gelegenheit gewartet, um ihre Ziele zu verwirklichen.

Saakaschwili will in die NATO, auch in die EU. Die USA stehen dem positiv gegenüber, Saakaschwili gilt als ein Mann des Westens. Doch was nützt ein solcher Mann, wenn er unsinnige Kriege vom Zaun bricht, die er nicht gewinnen kann und in denen er schon aus logistischen und geostrategischen Gründen nicht mit Unterstützung anderer rechnen kann. Ein solcher Verbündeter ist eher eine Belastung, als eine Hilfe.

Hier zeigt sich die Problematik von NATO und EU. Die Ausdehnung des Gebiets bzw. des Einflussbereichs macht krisenanfällig. Wäre Georgien in der NATO gewesen, so hätte Deutschland als NATO-Partner wieder einen Konflikt mit Russland, nur weil ein Staatsmann  aus recht dubiosen Gründen einen Krieg anzettelt. Deutsche Soldaten im Kaukasus stationieren, um das martialische Gehabe eines Mannes wie Saakaschwili abzufedern, daran kann man in Deutschland kein Interesse haben. Schon zu oft waren deutsche Soldaten die Spielbälle diverser obskurer Machtpolitiker – ob sie aus den Schlössern kamen oder von der Gosse.

Eine Organisation wie die NATO wandelt sich für einen Staat wie Deutschland zum Gegenteil dessen, was sie einmal war. Statt Sicherheit resultiert nun erhöhte Konfliktgefahr aus der Mitgliedschaft. Nach wie vor hat Georgien, wie offiziell bestätigt wird, die Perspektive einer Aufnahme in die NATO. Es muss die Frage gestellt werden, ob sich die Sicherheitsleistung der NATO nicht allmählich ins Gegenteil verkehrt, wenn solche Staaten zum Bündnis gehören könnten und dann der Bündnisfall eintreten würde, wodurch dann auch Deutschland in einen Konflikt hineingerissen würde.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach nach einem Ausscheren aus der NATO. Deutschland hatte jahrzehntelang ein sicherheitspolitisches Problem mit der Nahtstelle der beiden Blöcke an der innerdeutschen Grenze. Die Blöcke bzw. Kontrahenten prallen heute nicht mehr in Deutschland aufeinander, sondern anderswo, weit weg von der Elbe. Warum sollte man die problematische Situation wieder in anderer Form zurückholen? Sollte nicht die Überlegung angestellt werden, aus dem westlichen Bündnis auszuscheren? Dies würde ganz neue Optionen der politischen Gestaltung bieten.

Nun könnte man ein Ausscheren Deutschlands aus der NATO als Undankbarkeit auffassen. 40 Jahre lang schützte die NATO Deutschland und nun, da man den Schutz nicht mehr braucht, kehrt man dem einstigen Beschützer den Rücken. An dieser Argumentation ist sicherlich etwas Wahres dran. Andererseits waren es aber auch die Siegermächte, die mit ihrer Vereinbarung in Jalta, mit ihrer Gutgläubigkeit gegenüber Stalin und mit ihrem Misstrauen gegenüber Deutschland diese Situation teilweise verursacht hatten. So verständlich diese Haltungen auch waren, sie verursachten eine wesentliche Erschwerung der weltpolitischen Situation Deutschlands und bewirkten eine Abhängigkeit gegenüber der NATO.

Die Verweigerung einer eigenen atomaren Bewaffnung implizierte automatisch die Notwendigkeit eines Bündnisschutzes.

In Georgien, wurden am 12.8.2008 die Kriegshandlungen offiziell eingestellt. Der Abzug der russischen Soldaten kommt nur zögerlich voran. Georgien und vor allem Saakaschwili sind die Verlierer. Die abtrünnigen Provinzen konnten ihre Unabhängigkeit festigen, Russland seine Position stärken, die NATO und die USA wurden als Zuschauer vorgeführt. Vor allem aber gab es ca. 2.000 Tote und viele Verletzte, 100.000 flohen, die materiellen Schäden sind groß. Das alles hätte sich Georgien ersparen können.

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