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Börse

 

Börse

 

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Im Zuge der Finanzmarktkrise fallen die Kurse an den Börsen weltweit in einem geradezu dramatischen Tempo. Innerhalb weniger Tage verlor der DAX ein Viertel seines Wertes, an anderen Börsen sieht es ähnlich aus.

Was ist die Börse? Die Börse gibt es seit ca. 500 Jahren und ist eine Institution, die einen Markt darstellt bzw. organisiert, um den Handel mit Wertpapieren wie Aktien oder Anleihen oder auch Waren zu gewährleisten.

Durch Angebot und Nachfrage wird der Preis, d.h. der Kurs ermittelt. Die Preisbildung beruht ganz wesentlich auf der Einschätzung der Marktteilnehmer. Erwarten diese von einem Papier einen überdurchschnittlichen Gewinn, so kaufen sie das Papier und dessen Wert steigt. Damit hat sich die Einschätzung verifiziert, aber weniger durch reale Fakten in der Wirtschaft, als vielmehr auf Grund von Erwartungen oder Spekulationen. Da die Erwartungen sich durch Kauf selbst verifizieren können, handelt es sich um eine Art Zirkelschluss. Dies bewirkt dann ein oftmals schnelles Steigen der Kurse, obwohl keine reale Fakten, wie Dividendenausschüttungen zu Grunde liegen. Im Umkehrschluss kann dann bei schlechten Erwartungen ebenfalls der Zirkelschlussmechanismus eintreten und die Aktien fallen – ohne eigentlichen Grund – ins Bodenlose. Wer dann kein Interesse an einer Unternehmensbeteiligung hat, sondern nur Spekulationsinteressen verfolgt, muss versuchen, noch rechtzeitig zu verkaufen, doch gerade dieses Verhalten lässt die Kurse fallen. Somit tritt der Fall ein: Indem jeder rational handelt, spielt das Ganze verrückt.

Noch problematischer ist die Situation in Zuge eines “flash crashs”, wo beispielsweise am 6. Mai 2010 über 800 Mrd. Dollar an Marktwerten an der New Yorker Börse vernichtet wurden und zwar innerhalb von Minuten. Solche Prozesse können durch programmierte automatische Verkaufsorders ausgelöst werden oder schlicht durch Tippfehler eines Brokers.

Ob ein solches Instrument als Barometer für die ganze Wirtschaft viel Sinn macht, muss ernstlich bezweifelt werden. In einer Finanzkrise verschärft die Entwicklung an der Börse tendenziell die Situation und verschlechtert die Stimmung. Die Börse hat in einer Krise noch nie eine stabilisierende Wirkung gezeigt, eher war das Gegenteil der Fall - sobald sich erste Anzeichen einer Krise zeigten, reagierte die Börse tendenziell nervös und sorgte für eine angespannte Stimmung und für Vertrauensverlust. Die reale Wirtschaft könnte durchaus ohne Börse leben, andererseits leistet die Börse auch brauchbare Dienste bei der Kapitalbeschaffung. Allerdings wäre es in vielen Fällen besser, das Kapital müsste über die Banken beschafft und verzinst werden. Es gäbe dann vermutlich weniger Fusionen zur Bildung von Riesenkonzernen, keine feindlichen Übernahmen und keinen Druck zur Steigerung des Aktienwerts. Verzichtbar wären jedoch auf jeden Fall die Börsenberichte in den Medien, wo dem Aktienindex ein Stellenwert beigemessen wird, der  nicht zu rechtfertigen ist. Die Informationen über den Aktienindex gehören vielleicht in den Wirtschaftsteil einer Zeitung - unter ferner liefen - aber nicht in die täglichen Nachrichtensendungen. Börsenbarometer einerseits und andererseits Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit oder öffentliche Verschuldung haben wenig miteinander zu tun.
Die Masse der Bevölkerung hat ohnehin keine Aktien, warum will man sie dauernd über Aktien informieren. Die Situation der realwirtschaftlichen Unternehmen ist im normalen Geschäftsverlauf nicht von der Aktienentwicklung betroffen, ausser bei solchen Unternehmen, die grosse Anteile an anderen börsennotierten Unternehmen halten. Auf die Erstellung der Produktion oder Dienstleistung wirkt sich der Kurs (zunächst) nicht aus. Die Panik an der Börse braucht damit noch nicht Panik beim Arbeitnehmer oder Bürger bedeuten. Die tatsächliche Wichtigkeit der Börse steht nicht im Einklang mit der Publizität, die sie hat.

 Die Börse hat die Tendenz, zu steigen und zu fallen. Wer mit seinen Papieren das Steigen mitmachen kann und rechtzeitig vor dem Fallen ausgestiegen ist, der ist der Gewinner. Ein solches Szenario wiederholt sich in steter Regelmäßigkeit alle paar Jahre - nun im Zuge der Finanzkrise offensichtlich wieder. Diejenigen, die an der Börse clever agieren, sind die Gewinner, die Unerfahrenen sind meistens die Verlierer. Die einen verdienen, die anderen verlieren. Somit profitieren die einen vom Verlust der anderen. Die einen lassen in der Börse viel Geld liegen, die anderen nehmen viel raus. Kaufte jemand vor 3 Jahren ein Papier für 100 und verkaufte es vor der Krise für 200, so hat er Gewinn gemacht, aber nur zu Lasten eines andern, der den gleichen Wert verloren hat. Bei der Börse gibt es immer Gewinner und Verlierer, es gibt auf lange Sicht niemals nur Gewinner.

Somit ist die Börse ein Umverteilungsinstrument, vielfach von arm bzw. weniger vermögend nach reich. Für die einen ist die Börse ein Bereicherungsinstrument, für die anderen ein Entreicherungsinstrument. Diese Tatsache müsste eigentlich jedem klar sein, denn ein Papier kann nicht nur steigen. Wenn die Produktivität der Wirtschaft pro Jahr um 2 % steigt, dann kann der Wert der Firmen langfristig nicht um 20 oder 50 % jährlich steigen. Wenn der Fremdkapitalzinssatz bei 5 % liegt, dann kann die Rendite an der Börse langfristig aufs Gesamte gesehen nicht höher sein (sofern man Beteiligungsinteressen ausklammert).

Das sind alles logische Fakten, die jedem klar sein könnten. Warum agieren dann viele an der Börse? Sind es Spieler, Spekulanten, Zocker? Sind es unerfahrene Personen, die sich viel versprechen. Sind es andererseits solche, die viel Erfahrung haben und wissen, dass sie sich auf Kosten der Unerfahrenen alle paar Jahre bereichern können? Versuchen einige ganz bewusst das Geschäft zu machen mit der Unerfahrenheit der anderen? Wozu dann das Wimmern, wenn die Aktien fallen. Das ist, so fern es die gewünschte Klientel trifft, ein vorhersehbarer, ein erwarteter, sogar ein erwünschter Vorgang. Die Börsenkurse können nicht ins Unermessliche steigen, sie fallen regelmäßig und steigen nach dem Fall wieder, das weiß eigentlich jeder.

Somit wäre die Börse neben vielen anderen Eigenschaften, die sie hat, eben auch schlicht ein Instrument zur Umverteilung in Form einer Entreicherung der einen und Bereicherung der anderen. Für diejenigen, die Entreicherung erleiden, ist das ganze Szenario eine weniger angenehme Erfahrung.

Insofern hat die Börse schon für viel Frustration gesorgt. Diese Frustration hat weder zu einer Solidarisierung oder Identifizierung mit dem Wirtschaftssystem noch mit dem politischen System geführt. Insofern ist die Börse nicht systemstabilisierend.

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