Zweierlei Recht?
Ex-Verfassungsrichter W. Hassemer spricht sich für einen Migrantenbonus aus. Soll zweierlei Recht gelten? Bei Ehrenmorden sollen soziale Kontakte und die Sozialisation des Täters bedacht werden, da ein solcher Täter ja nach anderen sozialen Mustern lebe. Ein Verbotsirrtum sei in Erwägung zu ziehen. Wer ein Verbot nicht kenne, solle straffrei ausgehen, wer es nicht kennt, aber hätte kennen müssen, bekomme ein milderes Urteil. Dafür plädierte 2009 Winfried Hassemer, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts.
Gefährdet eine solche Sicht das Rechtssystem?
Angenommen ein junger Mensch ist in einer Nazi-Familie aufgewachsen und lebt in diesem Milieu, wo schon seit vier Generation diverse Nazi-Maßstäbe gelten, soll der dann einen Bonus erhalten, wenn er z.B. einen Schwarzafrikaner attackiert? Eine ungeheuerliche Vorstellung.
Hassemer verwies auf die Problematik des Kennens bzw. Kennensollens von Paragraphen. Doch die Problematik bleibt: Wenn jemand nicht oder eingeschränkt gestraft wird, weil er eine Norm nicht kannte - oder nicht kannte, aber hätte kennen müssen, so würde dies die Gerichte vor eine ungeheuer schwierige Aufgabe stellen, die kaum zu bewältigen wäre, denn es müsste eine kolossal erweitere Sozialanamnese erstellt werden, um urteilen zu können. Ohnehin ist zu fragen: wer kennt denn schon alle Gesetze und Bestimmungen (unabhängig von seiner Sozialisation), wer kennt alle Strafbestimmungen und weiß wie sie aufzufassen sind, zumal es zu jedem Gesetz meterweise Literatur gibt?
Allerdings sollte sich an dieser Stelle der Gesetzgeber grundsätzlich hinterfragen bei seinem ständigen Produzieren neuer Rechtsvorschriften - wer denn dies alles noch fassen und verarbeiten soll. Der Bürger läuft bei einem solchen System Gefahr, nichts ahnend, von einem Gesetzesverstoß, der sich aus irgendwelchen Paragraphen ableiten lässt, wie von einer Keule eingeholt zu werden.
|