Wiedergutmachung
Wiedergutmachung Deutschlands an Juden und Israel ist Pflicht und Selbstverständlichkeit. Dabei kann begangenes Unrecht durch finanzielle Leistungen nicht kompensiert werden, andererseits jedoch kommt durch diese Leistungen die nachhaltige Distanzierung vom damaligen Unrecht und die Ernsthaftigkeit des Schuldeingeständnisses zum Ausdruck.
Von jüdischer Seite wurde ganz bewusst der Begriff Wiedergutmachung vermieden und viele Opfer taten sich anfangs schwer, von der deutschen Seite Geld anzunehmen. Ungeachtet dessen waren und sind die Zahlungen für viele Geschädigte von existenzieller Bedeutung.
Auch für den Staat Israel waren diese Leistungen eine große Hilfe beim Aufbau des Landes.
Für Deutschland führte die Wiedergutmachung zum wirtschaftlich Aufschwung und sie ebnete den Weg zurück in die Völkergemeinschaft.
Ein Meilenstein war das Luxemburger Abkommen von 1952/53. Deutschland zahlte an den Staat Israel 3 Mrd. D-Mark und zusätzlich 500 Mio. in Form von Individualleistungen an jüdische Geschädigte.
Nahum Goldmann, der als Präsident der JCC (Jewish Claims Conference) an den Verhandlungen teilnahm, sagte 1976: “Ohne die deutschen Wiedergutmachungsleistungen [...] besäße der Staat kaum die Hälfte seine heutigen Infrastruktur: alle Züge, alle Schiffe, alle Elektrizitätswerke sowie ein Großteil der Industrie sind deutschen Ursprungs. [...] In manchen Jahren überschritten die von Deutschland an Israel bezahlten Summen die von internationalen Judentum gespendeten Beträge - mitunter um das Zwei- bis Dreifache.”
Die im Rahmen des Luxemburger-Abkommens ausgehandelten Zahlungen in Höhe von 3 Mrd. D-Mark entsprechen nach heutigem Wert einer Summe von 10.000 Euro pro Einwohner damals in Israel bzw. in Relation zu Deutschland (Größe und Wert heute) dem Betrag von ca. 700. Mrd. Euro. Andererseits handelt es sich jedoch um einen relativ geringen Wert. 1952/53 musste West-Deutschland beispielsweise jährliche Zahlungen für die Besatzungsstreitkräfte in Höhe von über 7 Mrd. DM aufbringen. Die Leistungen an Israel aus dem Luxemburger Abkommen schlugen dagegen mit nur 250 Mio. jährlich zu Buche, da die Auszahlung auf 12 Jahre gestreckt wurde und zudem in Form von Warenlieferung zu erbringen war, so dass die deutsche Wirtschaft davon profitieren konnte. Insofern war Deutschland durch das Luxemburger Abkommen keiner großen Belastung ausgesetzt: die jährlichen Raten entsprachen zu Beginn der Zahlungen lediglich 0,7 % des damaligen deutschen Steueraufkommens und 1965 noch 0,2 %. Im Vergleich dazu beliefen sich die Besatzungskosten auf
30-50% des jährlichen deutschen Steueraufkommens. Demontagen und Reparationen sind dabei noch nicht berücksichtigt. Zuvor hatten die von Deutschland besetzten Länder hohe Besatzungskosten zu tragen, wobei Frankreich den Hauptanteil erbrachte mit einem Anteil seines Steueraufkommens von unter 30 %.
Im Rahmen des Marshall-Plans erhielt West-Deutschland $ 1,4 Mrd., (DM 5,3 Mrd.) verteilt auf 5 Jahre, verbunden mit einer 5 % Gebühr aus der entsprechenden nationalen Kreditvergabe, die an die USA abzuführen war. Zudem bestand die Verpflichtung zum Wareneinkauf in den USA. Von den $ 1.4 Mrd. wurden $ 1 Mrd. wieder zurückgezahlt, so dass der echte Zuschuss sich auf ca. DM 1,5 Mrd. belief.
In Anbetracht dieser Zahlen erscheint die verbreitete Auffassung, wonach Deutschland nach dem Krieg sich der Solidarität und Hilfe seiner westlichen Verbündeten habe erfreuen können, während Israel kassiert habe, als unausgewogen.
Wesentlich umfangreicher als die Zahlungen an den Staat Israel waren die Individualleistungen für jüdische Opfer, die über die Jahrzehnte gewährt wurden und noch heute gewährt werden.
Tabelle der Wiedergutmachungs-Leistungen und sonstiger Zahlungen
Zeit
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Art der Leistungen
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an Juden und div. Organis.
Mio Euro
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an den Staat Israel
Mio Euro
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ab 1947
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Leistungen der Bundesländer
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1.500
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ab 1953
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Luxemburger-Abkommen
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250
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1.510
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ab 1953
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Bundesentschädigungsgesetz
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42.000
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1955
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Zwangsarbeiterentschädigung, Konzerne
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40
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ab 1959
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Abkommen mit diversen europ. Staaten
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800
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1960
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Waffenlieferungen
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100
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1960
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Sonderentwicklungshilfe
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1.000
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ab 1960
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Zinsverbilligung bei Anleihen
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1.000
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1965-99
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Entwicklungshilfe
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2.800
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ab 1976
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Regelung Vermögensfragen (DDR-Gebiet)
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3.300
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1991
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Luftabwehrsystem Patriots
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700
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ab 1991
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Drei U-Boote
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700
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2000
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Erstattung erblosen Vermögens (DDR)
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70
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230
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2000
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Stiftung “Erinnerung, Verantwortung ...”
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1.300
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2003
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Luftabwehrsystem Patriots, dt. Altbestand
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100
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ab 2006
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Drei U-Boote
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600
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Härtefallregelungen
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1.900
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Sonstige Zahlungen
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4.000
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Gesamt-Summe
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63.900
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Gesamt-Summe (heutige Kaufkraft)
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ca. 150 Mrd.
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Anmerkung: Die Angaben, Stand 2013, beziehen sich nur auf Israel und Juden, nicht auf andere Geschädigte der NS-Diktatur. Da das statistische Material nur zum Teil differenziert vorliegt, ist die Ermittlung der Zahlen komplex und bedurfte teilweise der Extrapolation, Ableitung und Schätzung. Die früheren Leistungen in DM wurden nach dem allg. Verrechnungssatz in Euro übertragen. Die Zahlen sind gerundet. Informationen: Bundesaußenministerium, Bundesfinanzministerium, www.jta.org
Rechnerisch ergibt sich für die gesamten Leistungen ein Wert von 63,9 Mrd. Euro. Hochgerechnet auf den heutigen Wert umfassen die Leistungen eine Größenordnung von über 150 Mrd. Euro. Unter Einbeziehung eines Verzinsungsfaktors würde sich ein Mehrfaches ergeben.
Rechnet man die Zahlungen um auf 80. Mio. Deutsche, so ergeben sich insgesamt 792 Euro pro Person (Wert heute: 1.875), rechnet man die Laufzeit der Leistungen ein, so ergeben sich pro Person und Jahr 12 Euro (Wert heute: 28 Euro) - ein vergleichsweise bescheidener Betrag. (Für die Krankenversicherung werden in Deutschland, Stand 2013, pro Jahr und Person 2.200 Euro ausgegeben.)
Nicht nur diese Zahlungen sind Ausdruck der deutsch-israelischen Zusammenarbeit: Seit langem gibt es diverse Initiativen in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens, u.a. auch den deutsch-israelischen Jugendaustausch.
Auf staatlicher Ebene mag es verdeckte Aktionen gegeben haben zur Unterstützung Israels. Die militär-technologische Kooperation ist ausgeprägt, ebenso die wissenschaftliche Zusammenarbeit. Es arbeiteten deutsche Atomphysiker in Israel und umgekehrt hatten israelische Atomphysiker Gelegenheit in Deutschland zu arbeiten und sich entsprechende Kenntnisse anzueignen.
Die U-Boote aus Deutschland, die ungefähr zu Hälfte vom deutschen Staat finanziert wurden, dienen Israel mutmaßlich zum Aufbau eines atomaren Abschreckungspotenzials.
So umfangreich die Leistungen auch sein mögen und so sehr sie für den Staat Israel eine Unterstützung und für viele Geschädigte eine echte Hilfe waren, es bleibt trotzdem die Tatsache bestehen, dass begangenes Unrecht und erlittenes Leid mit Geld nicht kompensiert werden kann.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass heute in Deutschland eine Generation diese Leistungen erbringt, die nicht an den Verbrechen des Nationalsozialismus beteilig war, sondern eine kollektive, nationale Verantwortung wahrnimmt.
Der deutsche Staat zeigt sich weltweit sehr hilfsbereit und es flossen große Summen in alle Teile der Welt - die größte Berechtigung, solche Leistungen entgegen zu nehmen, haben Israel und die einst verfolgten Juden.
Es bleibt festzuhalten, dass die Entschädigungen, die Deutschland an Israel zahlt, gering sind im Vergleich zu sonstigen Kriegslasten: Auf der Flucht ermordete deutsche Zivilsten, in Gefangenschaft verhungerte Soldaten, Massenvergewaltigungen deutscher Frauen, Bomben auf die Städte, Millionen von Vertriebenen, verlorenes Staatsgebiet, vorenthaltene staatliche Souveränität usw. An all dem waren Juden oder Israel nicht beteiligt. Die Juden mussten unter der deutschen Gewaltherrschaft am meisten leiden, aber sie haben in keiner Weise zurückgeschlagen. Auch dies ist ein Aspekt, der im deutsch-israelischen Verhältnis zu beachten ist.
Das deutsch-israelische Verhältnis hat sich sehr gut entwickelt. Nach den USA dürfte Israel von Deutschland am meisten Unterstützung erfahren. 1945 hätte sich eine solche Entwicklung kaum jemand vorstellen können.
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